Best Practices

Gesetzesänderung Familienauszeit für Vorstände: Initiative Stayonboard

Anfang März diesen Jahres begann Delia Lachance, Vorstandsmitglied und CCO bei einem börsennotierten Unternehmen, ihren Mutterschutz und eine sechsmonatige Elternzeit. Aufgrund dessen musste sie ihr Amt als Vorstandsmitglied niederlegen. Denn nach der derzeitigen Rechtslage ist es in Deutschland nicht möglich, das Vorstandsmandat bei längerer Abwesenheit vorübergehend ruhen zu lassen. Dies gilt nicht nur im Fall von Mutterschutz und Elternzeit, sondern auch wenn ein Vorstandsmitglied Angehörige pflegt.

Inzwischen gibt es die Initiative #stayonboard, die zahlreiche namhafte Unterstützerinnen und Unterstützer hat, um eine Gesetzesänderung anzustoßen. Das Ziel der Initiative ist die Ergänzung des Aktiengesetzes: Vorstandsmitglieder sollen bei einer vorübergehenden Abwesenheit wegen längerer Krankheit, der Geburt eines Kindes oder eines Pflegefalls in der Familie ihr Mandat nicht niederlegen müssen.

 

Welche Problematiken es aktuell gibt

Sofern ein Vorstandsmitglied während längerer Abwesenheit das Mandat nicht niederlegt, bestehen die Organpflichten weiter fort. Dies bedeutet, dass dadurch auch erhebliche Haftungsrisiken drohen: Denn aufgrund von Abwesenheit  können Überwachungsaufgaben nicht ordnungsgemäß ausgeführt werden. In diesem Fall ist das Mitglied faktisch gezwungen, das Mandat niederzulegen.

Dieses Problem betrifft nicht nur weibliche Vorstandsmitglieder. Denn auch ihre männlichen Kollegen können in Elternzeit gehen, Pflegezeit für Angehörige in Anspruch nehmen oder von einer längeren Krankheit betroffen sein. Auch wenn ein Vorstandsmitglied schwer erkrankt, ändert dies nichts an den Haftungsrisiken. Somit bleibt auch in diesem Fall nur die Niederlegung des Mandats als bisherige Lösung, um derartige Risiken zu vermeiden.

Die Schwierigkeit liegt nicht allein in der Haftung, sondern vor allem darin, dass die Niederlegung des Mandates nicht rückgängig gemacht werden kann. Dies bedeutet somit auch für das Unternehmen, dass zeitnah ein Nachfolger gesucht werden muss. Die Initiative #stayonboard fordert, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit schafft, dass ein Vorstandsmitglied sein Mandat vorübergehend ruhen lassen darf.

 

Welche Entscheidungen der Aufsichtsrat treffen muss

Die Initiative schlägt vor, dass ein Vorstandsmitglied die Möglichkeit erhalten soll, das Mandat für einen begrenzten Zeitraum von bis zu sechs Monaten ruhen zu lassen. Dies soll auch für vergleichbare Leitungsorgane gelten und folglich nicht lediglich für die Rechtsform der Aktiengesellschaft.

Der Aufsichtsrat soll entscheiden, ob für diesen Zeitraum ein weiteres Vorstandsmitglied bestellt werden soll. Alternativ kann sich der Aufsichtsrat auch dafür aussprechen, dass die anderen Vorstandsmitglieder die Aufgaben des ruhenden Mitglieds mitübernehmen. Als dritte Option wäre auch denkbar, dass ein Aufsichtsratsmitglied als Stellvertreter des Vorstandsmitglieds bestellt wird und in dieser Zeit dessen Aufsichtsratsmandat ruht.

 

Welche Aspekte beim Ruhen des Mandats berücksichtigt werden müssen

Die Initiative möchte keine große Gesetzesreform anstoßen, sondern sich lediglich auf die oben beschriebene Forderung beziehen. Dennoch müssen bei der Erweiterung des Aktiengesetzes zum vorübergehenden Ruhen des Mandats verschiedene Aspekte berücksichtigt werden.

So muss beispielsweise die Haftung des Vorstandsmitglieds während des Ruhens ausgeschlossen werden. Dies bedeutet nichts anderes, als dass das Mitglied nicht für etwas haften muss, das während seiner vorübergehenden Abwesenheit passiert ist. Dies gilt explizit nicht für Sachverhalte, die vor Beginn der Ruhephase vom Vorstandsmitglied angestoßen wurden.

Nach Beendigung des Ruhens soll das Mandat automatisch wiederaufleben. Dies verlangt die Abstimmung zwischen dem Unternehmen und dem Vorstandsmitglied, das aus einem der oben erläuterten Gründe sein Vorstandsmandat vorübergehend ruhen lassen möchte. Denn das Unternehmen benötigt bei der Suche nach Alternativen während der Ruhe-Zeit auch eine gewisse Planungssicherheit.

Damit Stakeholder über das Ruhen informiert werden, soll die Anforderung gelten, transparent im Handelsregister zu berichtet. Zu den Stakeholdern zählen nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch Mitarbeitende und Gläubiger des Unternehmens. Auch sollen die Interessen des Unternehmens, beispielsweise durch eine angemessene Ankündigungsfrist, berücksichtigt werden.

Insbesondere wenn das Unternehmen sich zur Zeit des Wunsches nach einer Mandatsruhe in einer wirtschaftlich angespannten Lage befindet, dürfen die Interessen des Unternehmens nicht vernachlässigt werden. Die konjunkturelle Lage und die Herausforderungen für Unternehmen aufgrund der Corona-Pandemie haben in den letzten Monaten gezeigt, wie schnell sich die Situation ändern kann. Je nach Branche verzeichneten Unternehmen Umsatzeinbrüche von mehr als 90 Prozent. Teilweise ist eine deutliche Erholung der Umsatzzahlen aufgrund der Wahrscheinlichkeit einer weiteren Ausbreitung des Corona-Virus in nächster Zeit nicht in Sicht.

Ein Sonderfall ist die schwere Erkrankung eines Vorstandsmitglieds. Die Abwesenheit ist in diesem Falle – anders als bei einer Schwangerschaft mit anschließender Elternzeit – kaum planbar. Wichtig ist daher generell, dass die Vorstandsmitglieder mit dem Aufsichtsrat des Unternehmens im engen Austausch bleiben.

 

Der Kern der Initiative

Die Initiative #stayonboard fordert nicht, dass für Organmitglieder Arbeitnehmerrechte geschaffen werden. Dies bedeutet damit auch: keine Forderung nach Elterngeld, Kündigungsschutz und Entgeltfortzahlung. Dieser Vorschlag zeigt den Kern der Initiative: Sie möchte die Möglichkeit einer Mandatspausierung für Vorstandsmitglieder eröffnen, damit das Mandat aufgrund von Elternzeit, Pflegezeit und Krankheit nicht aufgegeben werden muss. Auch stehen Unternehmen dann nicht vor dem Zeitdruck einen Nachfolger zu bestimmen, obwohl sie das Vorstandsmitglied nach der Ruhezeit gerne wieder im Amt hätten. Von einer Änderung des Aktiengesetzes könnten also alle Seiten profitieren: die Unternehmen, die Vorstandsmitglieder und auch die Aktionäre.

 

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