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Globalisierung 4.0: Eine Nachlese zum Weltwirtschaftsforum 2019

Klimawandel, internationale Konflikte, Terror, wirtschaftspolitische Spannungen und fundamentale Veränderungen durch Digitalisierung lassen rund um den Globus die Zukunftssorgen vieler Menschen wachsen. Das Weltwirtschaftsforum 2019 in Davos widmete sich daher dem Thema „Globalisierung 4.0“ und adressierte sechs Fragen, die aus verschiedenen Blickwinkeln diskutiert wurden.

„Wir leben momentan im Übergang von der früheren in eine neue Weltordnung, in der wir noch nicht angekommen sind. Die Politik schafft es nicht, in dieser Phase zu regulieren und Regeln zu setzen“, stellte der Rosen Plevneliev ernüchtert fest. Der frühere Präsident von Bulgarien sprach in Davos von einer gefährlichen Situation und rief dazu auf, verstärkt Blockchain-Technologien beispielsweise zur Eindämmung von Korruption einzusetzen. Blockchain werde in den kommenden zehn Jahren die Art und Weise verändern, wie wir kommunizieren, wie wir arbeiten und wie wir leben. Doch dafür brauche es klare Regeln. Wenn die Politik sich darum kümmere, sei man auf dem richtigen Weg.

Die mahnenden Worte von Plevneliev reflektieren nur ausschnittweise Sorgen und Zukunftsängste, die viele Menschen umtreiben und die auch in Davos allgegenwärtig waren. Aber was genau sorgt für dieses Gefühl der Unsicherheit? Aus zahlreichen Einzelgesprächen und Podiumsdiskussionen in Davos ließen sich folgende Treiber identifizieren:

  • Angst vor Veränderungen der Umwelt und der Lebensgrundlagen durch Klimawandel
  • Angst vor Identitätsveränderungen durch technologischen Fortschritt und die Folgen geopolitischer Verschiebungen bzw. politischer Konflikte

Entscheider der Wirtschaft und Politik sind sich nach meinem Eindruck dieser Symptome sehr wohl bewusst. Um Lösungen herbeizuführen, bedarf es indes eines Schulterschlusses von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ohne Rücksicht auf Ländergrenzen und Partikularinteressen. Dazu können meine folgenden Quintessenzen aus Davos eine Orientierung bieten.

 

Frage 1: Wie können wir umweltfreundlich arbeiten, ohne dabei das wirtschaftliche Wachstum aufzuhalten?

Wer dem Klimawandel entgegenwirken will, muss den Ausstoß von Kohlendioxid deutlich reduzieren. Eine konsequente Umsetzung hätte für Unternehmen und Volkswirtschaften auf Basis des Status Quo aber weitreichende Folgen. Denn die meisten Produkte werden unter Nutzung fossiler Brennstoffe hergestellt und vertrieben.

Ein Beitrag zum Klimaschutz kann in der schrittweisen Transformation von Unternehmen und ganzen Branchen durch Digitalisierung, Dezentralisierung und Dematerialisierung liegen: Wenn Güter jeglicher Art nicht mehr – wie bisher – an einem Ort produziert und dann verschickt werden müssen, sondern lokal auf vergleichbarem Qualitätsniveau und basierend auf recycelten Rohmaterialien hergestellt und konsumiert werden können, ließe sich ein signifikanter Teil des Kohlendioxid-Ausstoßes vermeiden.

Die dazu erforderliche Dematerialisierung ist indes kein neues Phänomen. Bereits seit etwa 20 Jahren koppelt sich beispielsweise in der Musikindustrie die geistige Leistung von dem physischen Tonträger ab. Streaming statt CD ist das Stichwort. Wenn es gelänge, die Herstellungsprozesse von Gütern bzw. des zugrunde liegenden Know-hows zu digitalisieren und durch 3D-Drucker die Produktion zu dezentralisieren, wäre dies gut für das Klima und zugleich das Wirtschaftswachstum. Dafür braucht es nicht nur technologische und prozessuale Veränderungen, sondern digitale Anwendungskompetenz und eine offene Einstellung zur Digitalisierung. Dies ist letztlich eine Frage der Erziehung und Ausbildung, damit der Wille und die erforderlichen Fähigkeiten vorhanden sind.

 

Frage 2: Kann man ein patriotischer und zugleich globaler Bürge sein?

Angesichts von Kriegen, Terror und Diktaturen haben Flüchtlingsströme nicht nur in Europa zugenommen. Für viele Menschen – sowohl Einheimische als auch Einwanderer – führt dies zu Identitätsfragen: wo oder was ist meine Heimat und kann ich sowohl patriotisch als auch ein Weltbürger sein? Objektiv ein klares Ja, subjektiv eine Frage der Verwurzelung. Denn jeder Mensch hat eine geografische Herkunft oder lebt in einer Stadt oder Region, in der er oder sie sich heimisch fühlt. Dort kann man ein Patriot sein; ganz gleich, welche Staatsangehörigkeit oder Herkunft das Individuum hat. Zugleich macht es die Digitalisierung möglich, Weltbürger zu sein und über Grenzen hinweg zu denken. Das erfordert sprachliche, interkulturelle und technologische Fähigkeiten: fremde Sprachen zu beherrschen, andere Kulturen zu kennen und zu respektieren, digitale Applikationen virtuos anzuwenden. Letztlich kommt es hierfür maßgeblich auf Bildung an – nicht erst an Schule oder Universität, sondern bereits in der frühkindlichen Erziehung. Daher sollten Eltern, Erzieher, Lehrer und Professoren ermutigt und inhaltlich befähigt werden, über rein fachliches Wissen hinaus diese Grundlagen zu vermitteln und damit den Weg für späteres Weltbürgertum zu ebnen.

 

Frage 3: Wie sollte Arbeit in der Zukunft aussehen?

Studien zeigen, dass Arbeit für viele Menschen weit mehr ist als nur ein Mittel zum Geldverdienen oder Karrieremachen seiner selbst willen. Arbeit wird von vielen als wichtiger Bestandteil der Identität gesehen, soll Erfüllung bringen, Gestaltungsmöglichkeiten bieten und auf das individuelle Lebensmodell zugeschnitten sein. Eine zu den Talenten, Neigungen und Erfahrungen passende Tätigkeit auszuüben und damit Geld zu verdienen, ist ein Privileg.
Die Digitalisierung hat es erst möglich gemacht, dass Dienstleistungen und geistige Arbeit unabhängig von Ort und Zeit erbracht werden können. Dies ermöglicht es Menschen, ihre berufliche Tätigkeit nach persönlichen Präferenzen auszurichten – wenn sie es denn wollen. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Zukunft der Arbeit dezentraler als heute organisiert sein wird. In den USA sind etwa 30 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung freiberuflich tätig und nehmen kurzfristige Aufträge von Unternehmen an. In den kommenden Jahren soll sich diese Form der Berufstätigkeit branchen- und grenzübergreifend dynamisch ausbreiten und wird damit angesichts der fortschreitenden Spezialisierung und zugleich aufgrund der globalen Verfügbarkeit von Fachkräften für viele Experten die Frage aufwerfen, wie sie ihre Aufträge generieren.

Arbeit wird vor diesem Hintergrund künftig dezentraler, internationaler und digitaler. Immer mehr spezialisierte, hochqualifizierte und freiberuflich tätige Kopfarbeiter und interdisziplinäre Projektmanager werden ihre Leistungen weltweit anbieten und projekthaft arbeiten. Sie werden eingeschaltet, wenn Kreativität, Empathie und strategische Steuerung von Komplexität gefordert ist. Demgegenüber werden standardisierbare Aufgaben durch Software (künstliche Intelligenz, Blockchain-Applikationen) erledigt. Mit diesem Wandel verbunden sind neue Anforderungen an das Selbstmanagement bzw. die Organisation und Vermarktung von Arbeitsleistung.
Auch in dieser Hinsicht muss bereits in der schulischen und universitären Ausbildung sowie in der berufsbegleitenden Fortbildung angesetzt werden. Denn fluide Intelligenz und die Anwendung digital verfügbaren Wissens werden künftig entscheidend sein. Damit muss sich auch die Bildung von einem bisher auf Vermittlung und Abfrage von Wissen fokussierten Modell wandeln hin zu anwendungsorientierter Digitalkompetenz, kombiniert einerseits mit fachlicher Expertise in einem bestimmten Feld und andererseits Querschnittswissen.

 

Frage 4: Wie können wir sicherstellen, dass Technologie unser Leben verbessert und nicht schlechter macht?

Technologie hat bereits zu einer Entgrenzung von Arbeit- und Privatleben, zu nahezu hoher Transparenz von Individuen und Institutionen sowie zu neuen Abhängigkeiten geführt. Zugleich machen digitale Tools es möglich, selbstbestimmter bzw. mündiger zu werden und mehr Lebensqualität zu genießen. Dazu braucht es zum einen Aufklärung über Chancen, Risiken und Grenzen von Technologie – was ebenfalls eine Aufgabe der Erziehung und Bildung ist. Zum anderen sind konkrete Empfehlungen von gesellschaftlich anerkannten Institutionen erforderlich, wann und wie Technologie das Leben besser macht und wo die moralischen/ethischen Grenzen verlaufen. Ob und inwieweit das aufgeklärte, mündige Individuum diesen Empfehlungen – unter Beachtung der gesetzlichen Leitplanken – folgt, muss es selbst entscheiden.

 

Frage 5: Wie gestalten wir eine faire Wirtschaft?

Fairness, also Anstand und Gerechtigkeit durch gleiche Bedingungen – dies lässt sich in einer durch große kulturelle und wirtschaftliche Unterschiede geprägten Staatengemeinschaft allenfalls annähernd erreichen, indem Informationsgefälle abgebaut wird. Wenn es dank digitaler Technologien einfacher wird, Leistungen und Preise vergleichbar zu machen und offen zu legen, werden die Spielräume für Ausbeutung und Arbitrage enger. Zugleich ermöglicht dies bewusste Entscheidungen von Anbietern und Nachfragern, was sie für welche Leistung verlangen können oder zu zahlen bereit sind. Zugleich bedarf es der Befähigung, Daten und Informationen richtig zu interpretieren bzw. kritisch zu hinterfragen. Auch hier sollten Erziehung und Bildung ansetzen.

 

Frage 6: Wie können wir dafür sorgen, dass Länder besser untereinander zusammenarbeiten?

Um die zwischenstaatliche Zusammenarbeit u.a. in wirtschaftlicher, wissenschaftlicher und kultureller Hinsicht zu fördern, leistet die Digitalisierung schon jetzt einen wichtigen Beitrag. Öffentliche Stellen können sich dank digitaler Kommunikation in Echtzeit austauschen sowie an Vorgängen und Projekten arbeiten. Damit die Kooperation besser funktioniert, bedarf es Transparenz, gemeinsamer Ziele, Regeln und einer effektiven Kontrolle. Dazu eignen sich – wie bereits eingangs von dem früheren bulgarischen Präsidenten postuliert – Blockchain-Technologien, weil sie es möglich machen, Vorgänge jeder Art in dezentraler, objektiv nachvollziehbarer und hochverschlüsselter Weise nachzuhalten.
Alles in allem war aus Davos mitzunehmen, dass die weltweit verbreiteten Zukunftssorgen vor allem aus Unsicherheit über die Folgen sich verändernder Rahmenbedingungen und ungeklärter Identitätsfragen resultieren. Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sind aufgerufen, gemeinsame Anstrengungen insbesondere in Bildung, Digitalisierung und Klimaschutz zu unternehmen sowie die Risiken der Digitalisierung durch international abgestimmte Regeln handhabbar zu machen.

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