Governance
Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern
Die Unabhängigkeit von Mitgliedern des Aufsichtsrates wird derzeit im Rahmen der Reform des Deutschen Corporate Governance Kodex kontrovers diskutiert. Sie hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Beim vorgelegten Entwurf der Regierungskommission war einer der Schwerpunkte unter anderem die Konkretisierung der Anforderungen an die Unabhängigkeit von Anteilseignervertretern im Aufsichtsrat.
Im folgenden Beitrag wird zuerst dargelegt, wann ein Aufsichtsrat als unabhängig eingestuft wird und welche Indikatoren für eine Abhängigkeit sprechen. Anschließend werden die Empfehlungen der Kommission näher dargestellt.
Was bedeutet Unabhängigkeit des Aufsichtsrates?
Unabhängigkeit eines einzelnen Mitgliedes des Aufsichtsrates bedeutet die innere Haltung des Mitglieds, die sicherstellt, dass dieses seine Aufgabe im Interesse des Unternehmens verfolgt. Sofern dies bei einer Entscheidung erforderlich ist vertritt ein unabhängiges Aufsichtsratsmitglied auch die Unternehmensinteressen, wenn bei dieser einem kontrollierenden Aktionär entgegentritt.
In der Praxis besteht die Schwierigkeit der fehlenden Möglichkeit, diese innere Haltung eines einzelnen Aufsichtsratsmitgliedes objektiv festzustellen. Die Festlegung kann daher nur anhand von objektiven Kriterien erfolgen, die darauf schließen lassen, dass ein Mitglied keine Interessenskonflikte hat.
Bei der derzeitigen Überarbeitung des Deutschen Corporate Governance Kodex ist die Unabhängigkeit des Aufsichtsrates einer der kontrovers diskutierten Themen. Im derzeitigen Entwurf der Regierungskommission vom Oktober 2018 werden bei der Einordnung eines Aufsichtsrates als unabhängig einige Empfehlungen ergänzt. Eingefügt wurde beispielsweise im Entwurf, dass die Einschätzung einer angemessenen Anzahl unabhängiger Mitglieder durch den Aufsichtsrat selbst erfolgen soll. Dies soll unter der Berücksichtigung der Eigentümerstruktur des Unternehmens erfolgen.
Die Empfehlung definiert den Begriff der Unabhängigkeit wie folgt:
„Ein Aufsichtsratsmitglied ist im Sinne dieser Empfehlung dann als unabhängig anzusehen, wenn es in keiner persönlichen oder geschäftlichen Beziehung zu der Gesellschaft, deren Organen oder zu einem kontrollierenden Aktionär steht, die einen wesentlichen und nicht nur vorübergehenden Interessenkonflikt begründen kann.“
Im Entwurf der Regierungskommission wurde bei der Unabhängigkeit der Aufsichtsräte ergänzt, dass nunmehr nicht nur der Aufsichtsratsvorsitzende, der Vorsitzende des mit der Vorstandsvergütung befassten Ausschusses, sondern nunmehr auch der Vorsitzende des Prüfungsausschusses unabhängig sein sollte. Neu dabei ist auch, dass der Vorsitzende des Prüfungsausschusses auch unabhängig vom kontrollierenden Aktionär sein.
In der bisherigen Fassung des Deutschen Corporate Governance Kodex war bereits festgelegt, dass mehr als die Hälfte der Anteilseignervertreter unabhängig von der Gesellschaft und dem Vorstand sein sollen. Im Falle eines Aufsichtsrates, der nur aus drei Mitgliedern besteht, gilt die folgende Empfehlung laut Kodex: Mindestens zwei Vertreter der Anteilseignerseite sollen unabhängig vom kontrollierenden Aktionär sein.
Indikatoren für eine fehlende Unabhängigkeit
Aus Sicht der Kommission sprechen die folgenden Indikatoren für eine fehlende Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitgliedes:
- Das Mitglied war in den letzten zwei Jahren vor der Wahl Mitglied des Vorstands.
- Das Mitglied ist kontrollierender Aktionär.
- Das Mitglied gehört mehr als zwölf Jahre dem Aufsichtsrat des Unternehmens an.
- Das Mitglied steht in einer nahen familiären Beziehung zu einem Vorstandsmitglied.
- Das Mitglied unterhält wesentliche geschäftliche Beziehungen (beispielsweise Kunde, Kreditgeber) zum Unternehmen.
Sofern ein oder mehrere dieser Indikatoren für ein Aufsichtsratsmitglied erfüllt sind, muss bei der Einordnung als unabhängiges Mitglied des Aufsichtsrates eine Erklärung seitens der Unternehmensführung erfolgen.
Warum ist die Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern wichtig?
Im Zuge von Skandalen wie beispielsweise Korruption, unerlaubte Preisabsprachen und weitere Vergehen, geraten Unternehmen schnell in den Blickwinkel der Öffentlichkeit. In vielen Fällen wird dem Aufsichtsgremium vorgeworfen, seiner Aufgabe als Überwachungsorgan nicht angemessen nachgekommen zu sein.
Insbesondere bei einigen Entscheidungen ist die Unabhängigkeit einer angemessenen Anzahl an Aufsichtsratsmitgliedern erforderlich, um so möglicherweise auftretende Interessenskonflikte zu vermeiden. Ein unabhängiges Mitglied des Aufsichtsrates wird eher bei einer Abstimmung auch gegen den Vorstand abstimmen, wenn dieses unabhängig vom Vorstand ist.
Durch die Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder soll die Qualität der Entscheidungen des Aufsichtsgremiuums erhöht werden, da diese sich nur in diesem Fall am Unternehmensinteresse orientieren und unabhängig von anderen Interessen getroffen werden.
Welche weiteren Empfehlungen gibt es im Entwurf der Regierungskommission?
Der Entwurf beinhaltet eine Reihe von Empfehlungen, die bei der Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder beachtet werden sollen. Dazu zählen beispielsweise die folgenden:
- Dem Aufsichtsrat sollen nicht mehr als zwei ehemalige Mitglieder des Vorstands angehören.
- Aufsichtsratsmitglieder sollen keine Organfunktion oder Beratungsaufgaben bei wesentlichen Wettbewerbern des Unternehmens ausführen.
- Der Aufsichtsrat soll bei seinen Wahlvorschlägen an die Hauptversammlung die persönlichen und geschäftlichen Beziehungen eines jeden Kandidaten zum Unternehmen, den Organen der Gesellschaft sowie einem wesentlich an der Gesellschaft beteiligten Aktionär offenlegen.
- Beim Vorschlag der Kandidaten soll ein Lebenslauf beigefügt werden, der über relevante Kenntnisse, Fähigkeiten und fachliche Erfahrungen Auskunft gibt. Dieser soll durch eine Übersicht über die wesentlichen Tätigkeiten neben dem Aufsichtsratsmandat ergänzt und für alle Aufsichtsratsmitglieder jährlich aktualisiert auf der Website des Unternehmens veröffentlicht werden.
- Die Wahlen zum Aufsichtsrat sollen als Einzelwahl durchgeführt werden.
Diese Empfehlungen zeigen deutlich, dass die Tätigkeit als Aufsichtsrat zunehmend keine Nebenbeschäftigung ist, für die wenig Zeit geopfert werden muss. Die Aufgaben des Aufsichtsrates sind in den letzten Jahren deutlich umfangreicher geworden. Auch das Thema der Kompetenzen einzelner Aufsichtsratsmitglieder rückt bei der Neubesetzung zunehmend in den Fokus. Unternehmen achten mittlerweile sehr genau darauf, dass alle erforderlichen Kompetenzen im Gremium vorhanden sind.
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