Governance

Warum bessere Corporate Governance notwendig ist

Woran denken Sie, wenn das Stichwort „Corporate Governance“ fällt? Als konzernerfahrener Leser werden Ihnen vermutlich gute Unternehmensführung, Kodex, Einhaltung von Recht und Gesetz, Steering Committes sowie reichlich Papier in den Sinn kommen – wohl kaum aber Vertrieb, Marketing und Produktion. Dabei ist Corporate Governance der gelebte „kulturelle Wandel“, der sich in allen Bereichen eines Unternehmens vollziehen muss.

 

Moskau, kurz nach dem Finale der Fußballweltmeisterschaft 2018: bei strömendem Regen verleihen Spitzenpolitiker aus drei Nationen und zwei Altersklassen die Medaillen. Bei aller geteilten Freude zeigt das Trio klare Unterschiede, was Leadership betrifft. Der eine, arrivierte Politiker lässt sich den Schirm halten und streift den Spielern weitgehend emotionslos die Auszeichnungen über. Die beiden anderen, jüngeren Politiker umarmen mit durchnässten Kleidern die Spieler und bleiben minutenlang ohne Schirm im Regen stehen. Was das mit Corporate Governance zu tun hat? Jede Menge, aber dazu gleich mehr.

Corporate Governance wird gemeinhin als „Standard guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung“ verstanden. Wer in den Deutschen Corporate Governance Kodex blickt, wird dazu aber lediglich technokratisch-juristische Ausführungen mit Blick auf das Zusammenspiel von Vorstand und Aufsichtsrat finden. Was „gute Unternehmensführung“ konkret ist, wird dort nicht erläutert. Vielmehr zeigen die Formulierungen zögerlich-vorsichtige, diplomatische und bewusst schwammige Formulierungen sowie eine Zusammenfassung von bereits Bekanntem oder gesetzlich Geregeltem. Was fehlt, ist eine klare Definition, was gute Unternehmensführung innerhalb des rechtlichen Rahmens ist.

Dabei ist aufgrund der Digitalisierung, die unaufhaltsam voranschreitet und dazu führt, dass wirtschaftlich die Karten in den meisten Branchen neu gemischt werden, ein Neudenken guter Unternehmensführung dringend geboten. In diesem Kontext ist das Einhalten des juristischen Rahmens eine Selbstverständlichkeit. Bloße Wiederholungen des Gesetzeswortlauts helfen indes nicht weiter, wenn man Orientierung für Unternehmen bieten will, die im Zeichen von VUCA und Disruption einem permanenten, fundamentalen Wandel unterlegen sind oder sein werden.

Deshalb dürfen nicht juristische Vorgaben die Leitplanken für Corporate Governance determinieren, sondern Ausgangspunkt für ein zeitgemäßes Corporate Governance Rahmenwerk sollte vielmehr das sein, was den ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsmann als unternehmerisch agierenden Manager im Zeichen des Wandels ausmacht. Davon ausgehend sollten die gesellschaftsrechtlichen Erfordernisse in die konkrete Ausgestaltung der Corporate Governance einfließen.

 

Angesichts der fundamentalen Veränderungen der Wirtschaft ist es angezeigt, unter anderem die folgenden Aspekte als Leitplanken moderner Corporate Governance zu setzen:

  1. Veränderung als Notwendigkeit zu verstehen und Bestehendes/Bewährtes in Frage zu stellen.
  2. Komplexität anzunehmen und durch multi-dimensionale Betrachtung von Vorgängen handhabbar zu machen.
  3. Ungewissheit als Teil der ökonomischen Lebenswirklichkeit zu sehen, anstatt sich auf Bekanntes und Bewährtes oder Geplantes zu verlassen.
  4. Kalkulierbare unternehmerische Risiken einzugehen, anstatt Risiken und Fehler um jeden Preis zu vermeiden: Geschäftschancen zu nutzen, ohne die Kontrolle zu verlieren.
  5. Die eigenen Interessen als Geschäftsleiter hinter die Interessen aller anderen Stakeholder zurückzustellen.

Diese allgemeinen, aus den digitalbedingten Umwälzungen resultierenden Anforderungen an das Management unserer Zeit kollidieren in der Praxis jedoch verbreitet mit einem durch Regulierung und Judikatur geprägten Sicherheitsdenken. Zudem spielen innenpolitische und karrieretaktische Erwägungen nicht selten eine Rolle, wenn unternehmerische Entscheidungen getroffen werden. Hier ist letztlich der Aufsichtsrat der AG/GmbH bzw. die Gesellschafterversammlung der GmbH in der Verantwortung, die erforderlichen Impulse zu setzen und ggf. einzugreifen, um bessere Corporate Governance durchzusetzen. Wie diese im Einzelfall auszusehen hat, ist selbstverständlich von der Größe und Branche des Unternehmens abhängig. An einem Beispiel aus der Internet-Branche lassen sich indes folgende Grundsätze darstellen:

  • Entscheidungen jeglicher Art sind stets so zu treffen, dass sie für einen neutralen Dritten ex post nachvollziehbar sind.
  • Management und Aufsichtsrat arbeiten in einem offenen Dialog zusammen und teilen alle Informationen über aktuelle bzw. anstehende Projekte miteinander.
  • Abweichungen von Planzahlen – positiv oder negativ – werden, sobald sie sich abzeichnen, proaktiv durch das Management mit dem Aufsichtsrat zumindest monatlich geteilt, um gemeinsam Lösungen bzw. nächste Schritte zu erörtern.
  • Über neue Produkt- oder Marktentwicklungen sowie Geschäftschancen informiert sich das Management aktiv – nicht nur im Hinblick auf Sitzungen, sondern tagesaktuell – untereinander sowie das Management den Aufsichtsrat mit dem Ziel, Ideen bzw. Impulse zu erhalten und eine gegenseitige Befruchtung zu erreichen.
  • Das Management bindet den Aufsichtsrat bei Entscheidungen über Projekte/Transaktionen ab einem definierten Schwellenwert aktiv ein und bittet um Einschätzungen/Kommentare.
  • Bei Entscheidungen ab einem definierten Umsatz- bzw. Investitionsvolumen werden die Chancen und Risiken durch das Management aufgezeigt und mit dem Aufsichtsrat im Dialog abgewogen. Die fachliche Verantwortung liegt beim Management, der Aufsichtsrat ist zur qualifizierten, verbindlichen Stellungnahme verpflichtet.
  • Sind Risiken nach Abstimmung zwischen Management und Aufsichtsrat überhaupt nicht oder ganz überwiegend nicht einschätzbar oder kalkulierbar, werden sie nicht eingegangen – die Nullvariante muss in jeder Angelegenheit eine Option sein.
  • Negative Deckungsbeiträge aus einem Projekt/Geschäft werden nur akzeptiert, wenn ihnen nachweislich greifbare positive Deckungsbeiträge kausal gegenüberstehen.
  • Das Management zeigt bei unternehmerischen Entscheidungen dem Aufsichtsrat die Auswirkungen auf alle tangierten Stakeholder auf und bittet den Aufsichtsrat um seine Meinung.
  • In Krisensituationen macht das Management die Symptome und Ursachen dem Aufsichtsrat frühzeitig transparent und schlägt Lösungen vor. Der Aufsichtsrat nimmt Stellung und macht eigene Vorschläge. In enger Abstimmung zwischen CEO und Aufsichtsratsvorsitzendem werden die weiteren Schritte festgelegt unter laufender Einbindung des Managements und Aufsichtsrats.
  • Erfolgsvergütungen sowohl an das Management als auch an leitende Mitarbeiter werden grundsätzlich nur bei profitabler Geschäftsentwicklung des Unternehmens gewährt.
  • Die Fixvergütung des Managements ist im Fall einer Unternehmenskrise aktiv zu reduzieren, anstatt auf Einhaltung von Verträgen zu pochen.

All diese Grundsätze verlangen eine enge Abstimmung zwischen Management und Aufsichtsrat und damit laufende Koordination/Kommunikation. Mithilfe eines digitalen Board Rooms lässt sich dies sowohl im Tages- und Projektgeschäft als auch bei Transaktionen und in Restrukturierungen in Echtzeit darstellen. Entscheider in Unternehmen sollten die Möglichkeiten digitaler Kommunikation dazu nutzen, durch Transparenz eine bessere Corporate Governance zu erreichen und damit letztlich das Wohl des Unternehmens als Ganzes und unter Einbeziehung der Interessen seiner Stakeholder zu fördern. Dies wiederum ist bekanntlich das übergeordnete Prinzip der allgemeinen Sorgfaltspflicht in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht.

Offenheit und Transparenz im Sinne der vorstehenden Grundsätze ist nur durch Authenzität der handelnden Personen möglich – was sich in nahbarem, berechenbarem und aufrichtigem Verhalten ausdrückt. Und dies ist kein Gegensatz zu kaufmännischem Denken und Profitorientierung, sondern es handelt sich um Merkmale des ehrbaren Kaufmanns, die für einen kulturellen Wandel und bessere Corporate Governance gerade im Zeichen des Wandels der Wirtschaft mehr denn je bedeutsam sind.

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