Risiko und Compliance
Warum Kartellrecht Compliance ein strategisch relevantes Thema ist
Geldbußen wegen kartellrechtlicher Verstöße haben immer größere Ausmaße angenommen. So wurde jüngst eine Strafe von 570 Millionen Euro gegen Mastercard verhängt, weil der Kreditkartenanbieter überhöhte Kundengebühren verlangt hatte. Weil Kartellverstöße ein existenzgefährdendes Risiko darstellen können, sind Vorstände und Geschäftsführer – sowohl in Großkonzernen als auch im Mittelstand – gut beraten, Kartellrecht als strategisch relevantes Thema zu behandeln.
Eine Kugel Eis für 1,50 Euro – dieser stolze Preis von drei Eisdielen in Tübingen sorgte im Frühling 2017 lokal für Entrüstung und bundesweit für Schlagzeilen. Denn ein italienischer Eisdielen-Betreiber hatte der Lokalzeitung freimütig berichtet, mit Konkurrenten eine gleichlautende Preiserhöhung beschlossen zu haben. Daraufhin leitete die Landeskartellbehörde ein Ermittlungsverfahren ein, konnte aber letztlich kein kartellrechtswidriges Verhalten nachweisen.
Was nach einem kuriosen Einzelfall klingt, ist tatsächlich ein überaus praxisrelevantes Thema und kann für Unternehmen jeder Größe und aus jeder Branche bedeutsam werden. In den vergangenen Jahren sind die Europäischen Kommission und das Bundeskartellamt branchenübergreifend und gerade auch im Mittelstand aktiv geworden. Mit Blick auf Preisabsprachen reicht das Spektrum vom Vertrieb von Pflastersteinen und Betonrohren über Badarmaturen, Süßwaren und Fleisch bis hin zu Feuerwehrfahrzeugen. Dabei gilt, dass es für „Hardcore-Kartellverstöße“ wie beispielsweise Preisabsprachen nie eine Rechtfertigung gibt – unabhängig von der Größe und Bedeutung des Einzelfalls. Ob die Kartellbehörden einschreiten, ist dann lediglich eine Frage der Zeit oder der behördlichen Kapazitäten bzw. Prioritäten.
Neben Preisabsprachen spielen oft vertikale Preisbindungen eine Rolle. Dabei schreibt ein Hersteller seinen Abnehmern vor, dass die von ihm gelieferten Produkte nicht unter einem bestimmten Preis oder nicht über einen bestimmten Vertriebsweg angeboten werden dürfen. Für ein solches Verhalten sind deutsche Mittelständler – beispielsweise im sog. Bierkartell in den Jahren 2006 bis 2008 – zu einer Geldbuße von 6 Prozent ihres Jahresumsatzes verdonnert worden; bis zu 10 Prozent sind möglich. Ins Rollen gerät das Ermittlungsverfahren meist durch einen Kronzeugen, der selbst Teil des Kartells war und aufgrund der Bonusregelung straffrei davonkommt, wenn er mit den Kartellbehörden kooperiert.
Weil Bußgeld-Zahlungen für Unternehmen existenzbedrohend sein können, sollten Entscheider dafür sorgen, Verstöße schon im Ansatz zu vermeiden. Dafür sind thematische Sensibilisierung und interne Kommunikation entscheidend, denn erfahrungsgemäß ist den handelnden Personen oftmals gar nicht bewusst, dass kartellrechtliche Vorgaben für sie greifen oder dass sie einen Kartellrechtsverstoß begehen. Deshalb sind Grundkenntnisse im Kartellrecht für jeden Manager und Unternehmer unverzichtbar. Zusammengefasst lässt sich der kartellrechtliche Rahmen anhand folgender Beispiele veranschaulichen:
Kartellverbote
Wettbewerber dürfen sich untereinander grundsätzlich nicht absprechen mit Blick auf Preise, Quoten, Kunden oder Gebiete.
- Absprachen über Preise sind z.B. Höchst- und Mindestpreise, Rabatte, Zeitpunkte von Preisänderungen oder Zahlungsbedingungen.
- Vereinbarungen mit Abnehmern über eine Preisbindung der zweiten Hand sind verboten, d.h. der Hersteller darf Zwischenhändlern nicht vorschreiben, welche Preise diese ihren Abnehmern berechnen und über welchen Weg sie die Ware vertreiben.
- Absprachen über bestimmte Kunden oder (Absatz-)Quoten liegen z.B. vor, wenn Wettbewerber untereinander vereinbaren, nur Kunden mit bestimmten Abnahmevolumina zu beliefern.
- Absprachen über bestimmte Gebiete bzw. räumliche Exklusivität können kartellrechtswidrig sein.
Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung
Vor allem große Unternehmen haben mitunter auf ihrem Markt eine überragende Stellung oder keinen wesentlichen Wettbewerb. Einen Kartellverstoß begeht ein solches Unternehmen, wenn es Konkurrenten diskriminiert, behindert oder seine Marktmacht missbraucht. Dies kann beispielsweise durch eine der folgenden Verhaltensweisen geschehen:
- Preisdiskriminierung: das marktbeherrschende Unternehmen verlangt von einzelnen Kunden ohne sachlichen Grund höhere Preise.
- Auslistung: einzelne Lieferanten werden durch das marktbeherrschende Unternehmen ohne sachlichen Grund von der Abnahme ihrer Produkte oder Dienstleistungen ausgeschlossen.
- Lieferverweigerung: als Pendant zur Auslistung sperrt sich das marktbeherrschende Unternehmen ohne sachlichen Grund dagegen, einzelne Kunden zu beliefern und behandelt ihre Abnehmer somit grundlos ungleich.
- Verkauf unter Einstandspreis: ein Unternehmen nutzt seine Überlegenheit (z.B. Finanzkraft oder marktbeherrschende Stellung) dazu aus, kleinere und mittlere Wettbewerber dadurch aus dem Markt zu drängen, dass Waren oder Dienstleistungen nicht nur ab und zu, sondern systematisch über längere Zeit mit Verlust angeboten werden, ohne dass dies sachlich gerechtfertigt ist.
- Koppelungsverbot: das marktbeherrschende Unternehmen verlangt von seinen Kunden ohne sachlichen Grund, dass eines seiner Produkte zwingend zusammen mit einem anderen Produkt gekauft werden muss.
Es versteht sich von selbst, dass es für die kartellrechtliche Bewertung auf die Details ankommt und jeder Einzelfall anders zu beurteilen sein kann. Zur Vorbeugung von Kartellverstößen ist generell zu empfehlen, die Sensibilität vor allem im Führungsteam eines Unternehmens dadurch zu steigern, dass anschauliche Praxisbeispiele vermittelt werden. Dazu eignen sich technisch insbesondere Board Portale, in denen Texte, Grafiken und ggf. Erklärvideos allen Entscheidern zugänglich gemacht werden. Auf diese Weise ist das erforderliche Grundlagenwissen über Smartphones oder Tablets permanent verfügbar und lässt sich in Kombination mit einem kartellrechtlichen Praxis-Workshop aktivieren.
Neben der Prävention spielt die frühzeitige Aufdeckung von Kartellverstößen eine wichtige Rolle.
Denn sollte es trotz interner Sensibilisierung und eines eingerichteten Compliance Systems zu kartellrechtswidrigen Vorgängen kommen, ist die proaktive Zusammenarbeit mit den Kartellbehörden eine Option. Dafür aber muss das Management erst einmal von etwaigen Verstößen erfahren und hierfür wiederum ist frühzeitige, interne Information auf vertraulichem Weg entscheidend. Auch dazu eignen sich Board Portale, wenn sie eine hochverschlüsselte Chat-Funktion, wie Diligent Messenger, bieten. Auf diesem Weg können Entscheider kommunizieren und bei Verdachtsfällen vertraulich die Initiative ergreifen und damit zumindest finanziellen Schaden abwenden, wenn das Unternehmen als Kronzeuge auftritt.
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